Zur 64. Berlinale wurde der Stummfilmklassiker „Das Cabinet des Dr. Caligari“ in der Sektion Berlinale Classics neu aufgeführt. Was heißt denn da neu? Schließlich ist der Film fast hundert Jahre alt! Das neue an dieser Version ist eine vollständige Restaurierung und eine Anpassung an die aktuelle Kinotechnik (4K).
Es ist nun schon mehr als 8 Jahre her, dass ich eine Bachelor-Arbeit zu diesem Film geschrieben habe. Aber meine Leidenschaft und mein Interesse für den deutschen Stummfilm ist nicht erloschen. Und deshalb freut es mich sehr, wenn ich höre, dass dieser Meilenstein der Kinogeschichte für das gegenwärtige Kino erhalten bleibt. Ich hoffe zudem, dass sich „Das Cabinet des Dr. Caligari“ durch die Restaurierung ein neues Publikum erschließen kann.
Die Handlung des Films – Ein Rahmen
Franzis (Friedrich Fehér) erzählt einem alten Mann eine Geschichte über seine Heimat Holstenwall. In diesem Städtchen geschahen seltsame Dinge. Als ein Jahrmarkt in der Stadt ist gehen Franzis, sein Freund Alan (Hans Heinrich von Twardowski) und ihre Freundin Jane (Lil Dagover) dort hin. In einer Bude wird der Somnambule Cesaré (Conrad Veidt) ausgestellt. Dr. Caligari (Werner Krauss) erweckt den Schlafenden und das Publikum darf ihm Fragen über die Zukunft stellen. Allan fragt ihn, wie lange er noch zu Leben habe und Cesare antwortet: „Bis zum Morgengrauen!“ Niedergeschlagen kehrt die Gruppe heim und alle legen sich schlafen. In jener Nacht wird Alan tatsächlich ermordet. Franzis fühlt sich schuldig und will den Täter finden. Während seiner Odysee auf der Suche nach dem Mörder wird auch Jane gefährdet. Schließlich findet Franzis heraus, dass Dr. Caligari den Somnambulen steuert und demnach für die Morde verantwortlich ist. Caligari wird gestellt und als irrer Mörder entlarvt. Schließlich kehrt der Zuschauer wieder in den Garten zurück in dem Franzis und der alte Mann sitzen. Es stellt sich heraus, dass Franzis Patient in einer Irrenanstalt ist und Dr. Caligari sein Arzt.
Die Rezeption – Von Caligari führt ein Weg zu Hitler?
Robert Wiene, der Regisseur dieses Films, konnte mit diesem Streifen einen internationalen Erfolg verbuchen. Die Zeitungen überschlugen sich geradezu mit positiven Kritiken. Vor allem die Übertragung der expressionistischen Stils von der Malerei auf die Leinwand wurde positv wahrgenommen, so schrieb Dr. Wilhelm Meyer am 29.02.1920 in der Vossischen Zeitung: „es stellt [sich] zum ersten Male die bildende Kunst ebenbürtig neben die darstellende und schweißt Bild und Bewegung zu einer Wirklichkeitsharmonie zusammen.“ Die Kritiken waren sich einig, dass der Expressionismus des Films nicht nur eine logische Fortentwicklung zum Expressionismus in der Malerei und Literatur war, sondern auch eine geschickte Methode zur Darstellung der Zerrissenheit von Franzis. Die berühmteste Beurteilung des Films kam 1974 heraus: Siegfrieg Kracauer schrieb sein berühmtes Buch Von Caligari zu Hitler. In diesem Titel stellte der Filmkritiker die These auf, dass man in Das Cabinet des Dr. Caligari bereits Anzeichen des kommenden Faschismus erkennen könne. Für ihn war der Kampf von Franzis gegen Caligari ein Kampf gegen den Faschismus, ein Kampf den Franzis aber letztlich verliert, weil er in der Rahmenhandlung wieder unter der Fuchtel des Dr. Caligari steht.
Die Restaurierung – Caligari wird 4K
Die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung und Bertelsmann haben den Film nun restauriert und damit eine erneute Kinoaufführung ermöglicht: Der größte Teil der deutschen Kinos ist auf digitale Filme ausgelegt. Die Aufführung von Zelluloidfilmen ist nicht mehr wirtschaftlich und nur noch in wenigen Kinos möglich. Insofern war diese Restauration mehr als überfällig. Das Format nennt sich 4K und hat die vierfache Auflösung (4096 × 2304 Pixel) einer gewöhnlichen BluRay. Darüber hinaus wurden mehrere Nitropien und das Filmnegativ zusammengetragen und in einer Kopie konsolidiert. So ist es möglich den Film in bestmöglicher Qualität zu zeigen. Alleine aufgrund dieses Aufwands gilt dem Bertelsmann-Konzern und der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung der Dank aller Cineasten.
Die DVD/Bluray-Edition
Neben der hochauflösenden Version des Films hält die Bluray noch andere Features parat: Wie der Horror ins Kino kam (D, 2014, R: Rüdiger Suchsland, ca. 50 Minuten) ist ein Dokumentarfilm, der den Leien in die Thematik einführt. Das Cabinet des Dr. Caligari wird oberflächig in seine soziologischen und kulturhistorschen Kontexte seziert. Warum gerade dieser Film zu dieser Zeit? Und, was ist das cineastisch augenfällig an ihm? Natürlich wird sich auch hier mit der These Kracauers, der Film lasse das aufkommende Übel erahnen, auseinandergesetzt.
Komplettiert wird die Bluray durch ein Making of der Resaturierung (4 Minuten) und einige Restaurirungsbeispielen (4 Minuten).