Wie weit darf unsere Sucht nach einem Lacher gehen? Worüber kann und darf man noch lachen? Wann wird es pietätlos? Die RAF ist nicht nur Objekt eines kulturell geprägten Raubbaus, sondern mittlerweile auch eine Quelle der Belustigung!
Gerade im Kontext von Filmen wie Mein Führer Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler (R: Dani Levy, D 2007) keimt immer wieder die Frage auf: Darf man über Hitler lachen? Und die Antwort auf diese Frage fällt der Presse und der Öffentlichkeit nicht leicht, denn wer möchte sich schon der Trivialisierung des Holocausts schuldig machen? Und so geht das Volk ins Kino, ohne das die Kritiker ihr O.K. dazu geben.
Ähnlich kompliziert ist dies bei der Auseinandersetzung mit der RAF (Rote Armee Fraktion). Ich habe mich intensiv mit dem Thema RAF im Film beschäftigt und eigentlich gab es nur einen Film, der die Terroristen komisch darstellt und das ist Die dritte Generation (D 1979) von Rainer Werner Fassbinder. Dieser Film entlarvt die Terroristen als prinzipienlose Hobbybombenleger, die von der Wirtschaft manipuliert werden. Damit hatte dieser Film zu seiner Zeit eine brisante politische Aussage. Doch mittlerweile entwickelt sich die RAF im deutschen Film zu einer Lachnummer. Bis jetzt gibt es noch keine levyeske Persiflage auf Baader, Meinhof, Ensslin und Co. Doch in einigen Filmen gibt es humorvolle Anspielungen auf die terroristischen Bürgerkinder. In Geld her oder Autsch´n (R: René Marik / Johan Robin, D 2013) entführen Kasperle und Co. den berühmten Eisbär Kalle und machen ein Video um Geld zu erpressen. Dazu werden Pappschilder mit dem roten Stern und der Aufschrift „KAF“ angefertigt. Der Verweis auf die RAF ist eindeutig und humorvoll: Satirisch werden die Szenen der Schleyer-Entführung nachgestellt. Zugleich wird die RAF mit infantiler Lächerlichkeit in den Kontext einer altmodischen Kinderunterhaltung gesetzt. Erst zu nehmen sind diese Terroristen nicht. Und in Türkisch für Anfänger (R: Bora Dagtekin, D 2012) gibt es eine lustige Traumsequenz, in der die Hauptdarsteller als Baader und Ensslin in Stammheim zum Zwecke des Beischlafs in eine Zelle geführt werden. Im tiefsten Schwäbisch sagt der JVA-Beamte: „Frau Ensslin. Der Herr Baader wär jetzt da!“ Danach fallen die beiden wild übereinander her. Hier wird auf humorvolle weise ein Stammheim-Mythos inszeniert?
Die Frage ist nun, ob eine humorvolle Inszenierung der jüngeren deutschen Geschichte Angesichts der 34 Todesopfer der RAF moralisch ist? Darf man die RAF, die immerhin über gut 20 Jahre die Bundesrepublik in Schrecken gehalten hat, zur humorvollen Inszenierung nutzen? Ich glaube, ja! Denn angesichts der Schwere, die die gewöhnlichen kulturellen Verarbeitungen gerade im Medium Film auszeichnet, stellt die humorvolle Adaption der Historie eine psychologische Entlastung für die Zuschauer dar. Der zweite positive Effekt dieser Form der Inszenierung: Die Protagonisten dieses Kapitels der deutschen Geschichte werden als lächerliche Figuren entlarvt. Den gleichen Nutzen haben für mich auch die komischen Filme über den deutschen Faschismus.
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