DU: Was machst Du so?
ICH: Ich sehe Filme!
DU: Hast du einen Lieblingsfilm?
ICH: Mensch! Es gibt es so viele Filme die ich toll finde, da könnte ich mich nicht entscheiden. Aber Werner Herzog ist mein Lieblingsregisseur.
Diesen Dialog habe ich oft geführt! Während des Studiums habe ich mich fast ausschließlich mit dem Medium Film beschäftigt und eine Expertise in diesem Bereich aufgebaut, auf die ich stolz bin. Und immer wenn die Frage: „Was ist dein Lieblingsfilm?“ kam, habe ich so geantwortet.
Werner Herzog hat mir die Pforten zum neuen deutschen Film (mittlerweile ist der neue deutsche Film alt) geöffnet. Dafür bin ich ihm dankbar! Durch Herzog habe ich Filme kennengelernt, die jenseits des stereotypen Hollywoodkinos eine ganze andere Form des filmischen Erzählens bieten. „Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neunen!“ steht am Ende des Oberhausener Manifestes. Das hat Herzog zwar nie unterschrieben, aber dennoch entwickelte er einen neuen Film. Aber zum Teufel: Warum? Weil er die etablierten Formen ablehnte oder sie mutmaßlich gar nicht kannte, Herzog sagt von sich selbst, dass er eigentlich keine Filme guckt. Ich bin davon überzeugt, dass Herzog nur eine ganz eigene Filmsprache erzeugen konnte, weil er ein Autodidakt war. Weil er sich frei gemacht hat von Einflüssen, weil er eine Kamera geklaut hat und weil er einfach angefangen hat zu filmen.

Daher kommt Herzog! Das macht ihn bis heute aus! Doch da gibt es Sache die mich ein bisschen stört. Der Autodidakt und Selfmadefilmemacher Werner Herzog wird nun selbst zum Didaktiker und will jungen Filmemachern erklären, wie das Handwerk funktioniert! Da gibt es zum einen die Rogue Film School, die Schurken-Filmschule, in der Werner Herzog einen ganzen Stamm zahlender Kundschaft mit dogmatischen Lehren versorgt. Es gibt eine verpflichtende Leseliste und natürlich muss man eine nicht unerhebliche Summe für den Kurs zahlen, es sind immerhin 1500 Dollar.

Zum anderen gibt es den Online-Kurs Masterclass mit Werner Herzog: In über 5 Stunden Videomaterial vermittelt der Autodidakt, wie man Filme macht. Hä! Ernsthaft? Jemand der sich konsequent jeder Einflussnahme durch formalisierte Ausbildungen verweigert hat, stellt sich jetzt hin und will anderen erklären, wie man Filme macht? Wahrscheinlich erklärt er, wie man Filme ala Herzog macht. Das Ergebnis ist dann eine ganze Armada von Filmherstellern (denn besseres sind sie nicht), die das gleiche gelesen, gesehen und gelernt haben. Daraus folgt, dass sich die Filme dieser Hersteller sehr ähnlich sein könnten. Immerhin der Video-Kurs kostet nur 90 Dollar. Ein Schnapper!
Das Ergebnis von Lehre im Bereich der Kunst kann fruchtbar sein, wenn der Magister es schafft, die Stärken seiner Adlaten zu erkennen, zu fördern und zu fordern. Leselisten, Einheitskurse und Stundenpläne sind meiner Meinung immer ein Indikator für den Unwillen des Lehrers, sich mit seinen Klienten auseinanderzusetzen. Im Idealfall sollte der Lehrer der Diener seiner Schüler sein. Er ist der Katalysator, der notwendig ist, um die Flamme zu entfachen. Er zieht sich aber zurück, wenn das Feuer lodert.
Zum Schluss: Ich liebe das Kino von Werner Herzog noch immer. Seine Filme sind mir die Liebsten. Und ich bin bewusst blind für Kritik am herzogschen Werk. Hellhörig werde ich aber, wenn sich eine Autodidakt hinstellt und Lehre betreiben will, denn das sollte er nicht tun. Er sollte seinen besonderen Weg und sein Können nicht als etwas darstellen, das man lernen könnte. Wer mit der Vita des Filmemachers vertraut ist, weiß, das eine Wanderung von München nach Paris einen eher dazu befähigt, Filme zu machen, als ein Kurs der 90 oder 1500 Dollar kostet.
Fotos: Breanna Galley (https://unsplash.com), Screenshots